Vertikale und horizontale Parentifizierung

Parentifizierung entsteht meistens so, dass eine Mutter oder ein Vater ein Kind dafür gewinnen, sich wie ein Elternteil um den Elternteil zu kümmern. Es gibt aber auch Fälle, in denen es anders läuft. Wenn zwei oder drei Geschwister einen Bruder oder eine Schwester dazu bestimmen, die Eltern zu versorgen.

Was ist die vertikale Parentifizierung?

Die vertikal initiierte Parentifizierung geht von einer transgenerationalen Beziehungskonstruktion aus:

  • Mutter-Sohn/-Tochter 
  • Vater-Sohn/-Tochter

Vertikal parentifizierte Kinder stehen in einem relativ geschlossenen Beziehungssystem. Der Ausstieg aus der Parentifizierung ist somit unter Beachtung der typischen Loyalitätskonflikte in der Arbeit mit zwei Personen möglich.

Was ist die horizontale Parentifizierung?

Die horizontal initiierte Parentifizierung basiert auf generationsgleichen Beziehungskonstruktionen

  • Schwester beauftragt einen Bruder / eine Schwester mit Elternaufgaben
  • Bruder beauftragt einen Bruder / eine Schwester mit Elternaufgaben
  • Geschwister beauftragen einen Bruder / eine Schwester mit Elternaufgaben

Unter Beauftragung ist auch hier meistens kein expliziter Auftrag zu verstehen. Die Kommunikation läuft sehr subtil.

Kinder haben feine Antennen für die Qualität und die Intensität von Beziehungen.

In Geschwisterbeziehungen gibt es Rollen, die ihnen zugesprochen werden und solche, die sie für sich reklamieren. Mamas Lieblingssohn oder Papas Lieblingstochter – das sind gängige Klischees.

Wie kommt es zur horizontalen Parentifizierung?

Ursache für die horizontale Parentifizierung können transgenerational überlieferte Rollenverteilungen sein. Aber auch zum ersten Mal auftretende Krisen, etwa die Alkoholkrankheit eines Elternteils, können eine Beauftragung durch Geschwister auslösen.

Besondere Problematik der horizontalen Parentifizierung

Obwohl man meinen könnte, dass die Geschwister außerhalb der Parentifizierungsbeziehung fein heraus sein müssten – das Gegenteil ist der Fall.

Nehmen wir an, eine Tochter kümmert sich aus Loyalität um den alkoholkranken und nach Scheidung alleinstehenden Vater. Ihre beiden Brüder gehen ihren familiären und beruflichen Verpflichtungen nach. Ein echter Freundschaftsdienst. Eine Person ist loyal und gibt einen Teil ihres Lebens dafür hin, dass die Mutter oder der Vater versorgt ist.

Hinter den Kulissen aber gibt es eine Form von Eifersucht, die sich nicht an Geldwerten oder anderem Materiellem orientiert. Es geht um den immateriellen Wert der Gunst und der Loyalität. So anstrengend und bisweilen auch verzehrend eine Aufopferungsbeziehung auch sein kann, so sehr sich auch alle heraushalten wollen – sie bleiben draußen. Bekommen Gespräche nicht mit. Fühlen sich nicht einbezogen.

Johannes Faupel
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