Emotionaler Missbrauch – Misshandlung in einer für Außenstehende kaum erkennbaren Form – das macht ihn so gefährlich

Emotionaler Missbrauch (auch: psychische Gewalt) ist eine der leider vielfältigen Formen des Missbrauchs. Misshandlungen emotionaler Natur zählen zu den subtilen Formen der Kindesmisshandlung. Sie zeigen sich z. B. in der Herabwürdigung Schutzbefohlener, der Androhung des Entzuges von Liebe und Nähe oder der Verpflichtung zu Gehorsam und Loyalität um jeden Preis. Körperliche Misshandlungen, überhaupt Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist für Außenstehende wohl noch am ehesten zu erkennen. Sehr komplex wird es hingegen beim emotionalen Missbrauch. Er ist – auf der physischen Ebene – verletzungsfrei. Auf der psychischen Ebene entstehen durch Bedrohungen und Manipulationen viele Verletzungen.

Emotionaler Missbrauch – wie mit Müll beworfen werden

Emotionaler Missbrauch – als würde der Mensch mit Müll beworfen

Arten des emotionalen Missbrauchs

Zu den Arten der emotionalen Misshandlungen können zählen:

  • Vernachlässigung und entwürdigende Behandlungen, etwa durch Schläge, Beleidigungen oder Infragestellungen der Existenz
  • Überhöhungen und Überforderungen von Kindern und Jugendlichen (Parentifizierung)
  • Überbehütung von Kindern – denn diese kann zu späteren Ängsten und Lebensuntüchtigkeit führen

Emotionaler Missbrauch: eine der schwer erkennbaren Misshandlungsformen

Emotionale Misshandlungen sind deshalb so schwer zu erkennen, weil sie oft unter Vorwänden stattfinden. Hinter einer gutbürgerlichen Fassade, hinter dem Gesicht eines „guten Vaters“ oder einer „guten Mutter“ können Misshandlungen stattfinden.

Oft stufen nicht einmal die misshandelnden Täter selbst ihr Verhalten als Kindesmisshandlung ein. Sie sind vielfach selbst der emotionalen Kindesmisshandlung ausgesetzt gewesen. Und so geben sie diese Bürde ungefiltert an ihre eigenen Kinder weiter.

Gerade die ersten beiden Generationen nach Kriegen (Kriegskinder und Kriegsenkel) laufen Gefahr, Misshandlungen nicht zu erkennen, ja sogar für gute Taten zu halten.

So entstehen tragische Irrtümer wie „eine Ohrfeige hat noch keinem Kind geschadet.“

Im Zweiten Weltkrieg wurde eine herzlose und gefährliche Massenpädagogik verbreitet. Die NS-Propaganda-Medizinerin Dr. Johanna Haarer schrieb im Auftrag des NS-Regimes die  Bücher „Die Mutter und ihr erstes Kind“ und „Unsere kleinen Kinder.“

Rückblickend lässt sich das Phänomen des Krieges, der Kriegskinder und Kriegsenkel mit der kalten Pädagogik der 1930er Jahre erklären.

Es gibt immer noch viele Soldaten unter uns. Sie tragen keine Waffen. Sie haben nicht unbedingt schlechte Absichten. Und doch sind ihr Denken, Reden und Handeln belastend bis gefährlich.

Dr. Johanna Haarer Die Mutter und ihr erstes Kind | Unsere kleinen Kinder

Was macht emotionalen Missbrauch so schwer erkennbar?

Die besondere Schwierigkeit am Missbrauch auf der emotionalen Ebene ist so groß, weil oft nicht einmal die Opfer erkennen können, dass sie emotional missbraucht werden:

  • als Sündenbock
  • als Beifallgeber
  • als loyale Verteidiger
  • als Personen, die das Weltbild der Eltern oder eines Elternteils vor Infragestellung schützen

Auch hier spielt überall die Parentifizierung eine große Rolle: wenn Kinder zu Anwälten eines Elternteils erklärt werden. Wenn sie viel zu große Aufgaben übernehmen und nach außen hin Werte übernehmen, um endlich ihre Ruhe zu habe.

Nicht selten instrumentalisieren Mütter und Väter ihre Kinder dafür, die eigenen, selbstzerstörerischen Weltbilder zu verteidigen, ja sogar im eigenen Leben fortzusetzen. Kinder, die sich in Zeiten größter Ohnmacht nicht gegen die misshandelnden Eltern oder Elternteile widersetzen konnten, suchen sich später Stellvertreter, an denen sie sich abzuarbeiten versuchen. Loyalitätskonflikte, die noch nicht aufgelöst sind, können zu hoch eskalierenden Konflikten führen.

Warum ist es so schwer, sich gegen emotionale Misshandlung zu wehren?

Nun könnte man meinen, eine Kindesmisshandlung muss doch spätestens im Jugendlichenalter zu einer gesunden Gegenreaktion führen. Das Opfer der Misshandlung sollte doch erstarkt sein und dem misshandelnden Elternteil oder anderen Familienmitglied Widerstand leisten können. Oft ist genau das Gegenteil der Fall. Die Verstrickungen durch emotionale Misshandlungen sind so schwer zu durchschauen, dass die Opfer sogar noch ihre Peiniger verteidigen. Wie ein Stockholm-Syndrom im Privatleben.

Beziehungsphobie – Weglaufen vor dem Verlassenwerden

Es liegt nahe, dass emotional missbrauchte Menschen Schwierigkeiten haben können, eigene Beziehungen aufzubauen. Schließlich waren ihre frühkindlichen Erfahrungen von erheblichen Enttäuschungen geprägt. Es wurde Liebe behauptet – und es fanden emotionale Angriffe statt. Und so schleicht sich bei vielen die vage Angst ins Leben, sie könnten immer wieder aufs Neue enttäuscht werden. Die ausgeprägteste Form von Beziehungsangst ist eine Beziehungsphobie. Ich schlage jedoch vor, den Begriff der Phobie im Zusammenhang mit dem Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen differenziert zu betrachten. Die große Angst besteht hier weniger vor einer Beziehung. Im Gegenteil. Es gibt eine große Sehnsucht nach einem guten Miteinander. Dauerhaft. Verlässlich. Schützend. Das Problem beim Auftreten einer Beziehungsphobie besteht eher in der Angst, erneut eine krasse Enttäuschung zu erleben. Viele Menschen, die unter emotionalem Missbrauch gelitten haben oder leiden, entscheiden sich eher für die sichere Einsamkeit als für ein – in gewisser Weise immer etwas riskantes – Miteinander.

Auch Überbehütung kann emotionale Missbrauchserfahrungen auslösen

Es sind keineswegs nur Gemeinheiten und Angriffe gegen Kinder, die sich als emotionaler Missbrauch darstellen.

Auch das Gegenteil kann zu den emotionalen Kindesmisshandlungen zählen – je nach Ausprägung. Stellen wir uns folgenden Fall vor: Ein Kind wird von Anfang seines Lebens an dazu angehalten, alles Denken und Handeln den Erwachsenen zu überlassen.

Wenn das Kind gefragt wird, antworten die Eltern. Wenn sich das Kind entscheiden soll, übernehmen das ebenfalls andere. Steht eine Klassenfahrt an, bleibt das Kind zu Hause. Weil die Eltern einen Unfall auf der Autobahn befürchten oder eine Erkrankung im Schullandheim.

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Johannes Faupel
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