Parentifizierung – Beispiele für Kind-Elternbeziehungen ohne Gleichgewicht

Beispiele für die Parentifizierung finden sich in vielen Familien und Beziehungen. Manchmal fällt einem Außenstehenden sofort auf, dass ein Ungleichgewicht z. B. hinsichtlich der Verantwortungsverteilung besteht. Häufig jedoch laufen die dysfunktionalen Beziehungsmuster verdeckt. So erkennt man Verstrickungen und Rollenumkehr erst nach genauerem Hinsehen. Diese Seite soll Ihnen dabei helfen, Ihren Blick auf Ihr Familiensystem bzw. andere Familiensysteme zu verbessern. Betrachten wir einige der Hauptmerkmale, an denen Sie ein Familiensystem mit Parentifizierung erkennen können. Als Basis für die Betrachtung wählen wir die kleinste Einheit der Kernfamilie: Eltern und ein Kind.

Welche typischen Erscheinungsbilder für Parentifizierung fallen auf? Hier finden Sie bemerkenswerte Beispiele

  • Verschiebung der Autoritätsverhältnisse – wer hat hier eigentlich das Sagen?
  • Verstrickungen hinsichtlich Erziehung
  • Ausgrenzungen eines Elternteils – die Zugehörigkeit zum Familiensystem geht verloren
  • Loyalitätskonflikte treten auf
  • Double-Bind-Situationen belasten besonders die Kinder schwer – lesen Sie hier meinen Beitrag zu Double Binds
  • Bündnisse zwischen einem Elternteil und dem Kind gegen den anderen Elternteil (Triangulierung)

Was ist eine Triangulierung?

Triangulierung (dysfunktionale, also ungesunde Triade) bezeichnet man in der systemischen Therapie die das Familiensystem störenden Zwischenbeziehungen. Hier empfehle ich Ihnen einen Beitrag über dysfunktionale Familien.

Der Konflikt zwischen den Eltern wird durch eine zwischengeschaltete Triangulierung – wie beim Billardspiel – über Bande ausgetragen. Die Bande bzw. der Triangulationspunkt ist in diesem Fall das Kind, das oft gleichzeitig Botschafter, Diplomat und Zensor zu sein versucht, wenn es Aufträge nach dem Muster „Sag deinem Vater, dass er nicht immer …“ erteilt bekommt.

Solche Triangulierungen können auch nach der Trennung von Paaren weiterlaufen. Immer führt die dysfunktionale Triade zu massiven Überforderungen.

Und doch finden diese Triangulierungen leider täglich ungezählte Male statt.

Die Erfahrung von Ohnmacht: Kinder erleben Auseinandersetzungen der Eltern mit

Eine der schlimmsten Erfahrungen von Ohnmacht für Kinder ist Streit.

Streit zwischen Eltern kann für das Kind als Katastrophe erlebt werden, weil durch eine Auseinandersetzung das eigene Nest, der Lebensmittelpunkt in Gefahr gerät. Ein einmaliges Streitgespräch mag hier weniger schlimm sein.

Eine ständig angespannte Stimmung jedoch ist ein Desaster. Wenn jederzeit ein Streit ausbrechen kann, steht das Kind ständig unter Stress. Das Kind lernt, wie ein Seismograph auf jede Bewegung der Eltern zu reagieren bzw. stillzuhalten, wenn Gefahr droht.

Jedes Kind handhabt es womöglich anders, doch Ohnmacht ist immer eine schlimme Erfahrung.

Streit zwischen Eltern

Streit zwischen Eltern – viele Kinder wollen schlichten, meistens scheitern sie. Erfahrung von Ohnmacht

Das Kind im Konflikt zwischen den Eltern

Das Kind im Konflikt zwischen den Eltern

Rollenumkehr: Generationsgrenzen verschwinden – Kinder kommen auf die Elternebene

Wenn Generationsgrenzen nicht mehr gelten, weil Kinder auf die Elternebene geholt werden, sind sie über Nacht Partnerersatz, Mentor, Coach – Dienstleister:
Die Rollen, in denen die parentifizierten Kinder als Eltern ihrer Eltern auftreten, sind vielfältig.
Solche Rollenverschiebungen können auf das Kind anfangs wie ein Abenteuer wirken.

Es kommt einer Überhöhung des Kindes gleich, wenn es plötzlich bei einer oder einem der Großen „mitreden“ darf.

Gleichzeitig können Kompensationsleistungen fällig werden, d. h. das parentifizierte Kind darf länger aufbleiben oder bekommt mehr Taschengeld.

Das Kind ist durch die Rollenverschiebung und die Aufgabenübernahme oft von Alltagspflichten wie Schularbeiten oder Sport abgehalten: für höhere Ziele, die sich oft als pausenloses Entwickeln von Lösungsversuchen herausstellen: Lösungsversuche freilich, die meistens scheitern und mit denen sich das Kind überfordert.

Drei Modelle kindlicher Kommunikation im Kontext von Elternkonflikten

Ich schlage für die Arbeit mit Familien folgende Verhaltenstypologien vor:

  • Vermittler / Mediatoren / Eltern-Coaches: Kinder, die versuchen, sich als Friedensstifter und Lösungsanbieter zu engagieren. Irgendwann erkennen sie, dass sie dabei nur verschleißen. Hohes Selbstüberforderungs- und Erschöpfungsrisiko – auch im Hinblick auf das Erwachsenenleben, weil übergroße Projektformate für normal gehalten werden.
  • Kämpfer / Aggressoren: Kinder und Jugendliche, die ihren Schmerz in heftige Ausbrüche von Zorn verwandeln. Durch ihre emotionale Abschottung vom Familiensystem können sie zwar Sanktionen kassieren oder nehmen Einbußen an Nähe hin, aber sie haben die Chance auf einen eigenen Stand- und Lebensmittelpunkt. Insgesamt eine relativ gute Prognose, weil die Gefahr der Verstrickung relativ gering ist.
  • Eremiten / Emigranten: Kinder, die in eine innere Isolation auswandern, die Vorgänge um sich herum entweder abspalten und mit diesen zusammen ihre Gefühle als ihnen nicht zugehörig (ich-dyston) abzutun versuchen – oder zur Normalität ihres Schicksals erklären. Hohes Risiko, depressive Muster zu entwickeln.

Zu den Folgen der Parentifizierung gibt es eine eigene Unterseite.

Beispiel: Kind wird zum Partnerersatz

Eines der häufigsten Beispiele für die Rollenumkehr im Rahmen der Parentifizierung ist der Auftrag, den eigenen Partner zu ersetzen. Dies passiert häufig dann, wenn ein Partner fremdgeht und der sich betrogen fühlende Elternteil Trost und Loyalität beim eigenen Kind sucht.

Es ist eine für beide Seiten (den in Anspruch nehmenden Elternteil und die parentifizierten Kinder) riskante Beziehungskonstruktion. Weder Mutter / Vater noch Tochter (oder Mutter / Vater und Sohn) können die konstruierten Rollen auf die Dauer einnehmen und aushalten.

Weiteres Beispiel für Parentifizierung: Kind wird zum Berater / Coach für die Eltern

Kinder werden zu Therapeuten, Beratern und Coaches: Beispielsweise im Zusammenhang mit einer psychischen Störung oder Erkrankung eines Familienmitglieds kann es dazu kommen, dass sich die parentifizierten Kinder mit einem Mal in einer Beraterrolle wiederfinden.
Hilfestellung durch ein Kind kann unproblematisch sein, wenn sich ein Kind z. B. mit dem Computer besser auskennt als die Eltern.

Schwierig wird es, wenn parentifizierte Kinder in Fragen und Entscheidungen einbezogen werden, die weitreichende Folgen haben (können) – und somit ungewollt in die Rolle geraten, Schicksal spielen zu sollen – etwa: Soll ich mit der Mama den Papa verlassen oder weiter mit ihm leben? – ein unauflösbarer, sehr schmerzhafter Loyalitätskonflikt. Informieren Sie sich hier über Loyalitätskonflikte.
Hier kann und wird es zu massiven inneren Konflikten kommen. Denn:

  • Wer wird seiner Mutter / seinem Vater schon einen gewünschten Rat verwehren? Es entsteht ein Double Bind: Sage ich etwas, dann müsste ich womöglich auch auf den von allen gedeckten Alkoholkonsum zu sprechen kommen. Hinweis: Wenn Sie Hilfe im Zusammenhang mit einer Alkoholkrankheit suchen, finden Sie hier auf unserer Supervisionsseite wertvolle Hintergrundinformationen zu den AA und einem besonders wirksamen Ansatz, das 12-Schritte-Programm.
  • Welches Kind will sich zu der Frage äußern müssen, ob die Mutter den Vater oder der Vater die Mutter verlassen soll? Dies führt zu einem unauflöslichen Loyalitätskonflikt.

Kommt es in einer ohnehin schon dysfunktionalen Familie zu einer Außenbeziehung (Fremdgehen) eines Partners, kann das Kind in eine Loyalitätsrolle gedrängt werden.

Die betrogene Mutter oder der Vater, dem „Hörner aufgesetzt wurden“, könnte sich dem Kind anvertrauen und dort Halt suchen, wo Halt gegeben werden muss.
Das Kind als Detektiv. Das Kind als Geheimagent. Das Kind als Alibi-Geber.

Außenbeziehung – Fremdgehen: Kind wird zum Partnerersatz

Außenbeziehung – Fremdgehen: Kind wird zum Partnerersatz

Parentifizierung bei Überforderung der Eltern

Kinder sollen im Haushalt helfen. Selbstverständlich zählt es zu einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung, wenn Kinder ihre Aufgaben haben.

Es ist jedoch nicht gesund, wenn Kinder die Verantwortung für den Haushalt – vom Kochen bis zum Einkaufen – übernehmen, weil die Eltern entweder überarbeitet sind, ihren Alltag nicht strukturieren oder an einer Sucht leiden (Schlüsselkinder). Wenn eine Parentifizierung hinsichtlich Haushalt vorliegt, bleibt kaum noch Raum für Bereiche wie Schule und Kindsein mit allen seinen Entwicklungsschritten. Später kann dies zu der Neigung führen, sich überwiegend über Pflichterfüllung zu definieren und wenig Raum für das eigene Wohlergehen und das Genießen des Lebens zu haben. Mehr hier auf der Seite über Folgen der Parentifizierung.
Eltern überfordert - Kind macht Haushalt

Eltern überfordert – Kind macht Haushalt

Parentifizierung in der Partnerschaft

Es soll Beziehungen geben, in denen eine gewisse „Nachbeelterung“ meistens des Mannes durch die Frau akzeptiert, wenn nicht sogar gewünscht wird. Abgesehen von gelingenden Beziehungen, in denen die Ehefrau und Partnerin (nicht als Mutterersatz) als fürsorglich erlebt und ihre Fürsorglichkeit angenommen und erwidert wird, gibt es auch schwierige Parentifizierungs-Paare.

Es können auch pathologische Abhängigkeits-Paarbeziehungen auftreten, in denen es zu einer fast schon symbiotischen, gegenseitigen Einforderung und Abnahme von elternähnlicher Fürsorge kommt. Auch Fälle von parentisierender Inbesitznahme eines Beziehungspartners in Form eines Erziehungsprojektes sind nicht selten.

Links zu weiterführenden Informationen auf parentifizierung.de – lesen Sie sich ein.

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Parentifizierung auflösen – klare Grenzen sind die Basis

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Außenbeziehung – Fremdgehen: Kind wird zum Partnerersatz

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Doube Binds Beispiele (triviale Ebene) – es kommt zu heftigen inneren Konflikten.

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Streit zwischen Eltern – Schuldgefühle und Ohnmacht beim Kind

Streit zwischen Eltern – viele Kinder wollen schlichten, meistens scheitern sie

Schuldgefühle beim Kind, weil es „scheitert“

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Parentifizierung erkennen und auflösen

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