Destruktive Parentifizierung: das schleichende Gift in Trennungsprozessen
In eskalierenden Trennungsprozessen kommt es häufig zu massiven Gefährdungen des Kindeswohles. Ich zitiere hier aus dem Bericht
Hochkonflikthaftigkeit – Wissenschaftlicher Abschlussbericht
Projektlaufzeit: 01.07.2007 – 28.02.2010
Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft; Jörg Fichtner, Peter S. Dietrich, Maya Halatcheva, Ute Hermann und Eva Sandner
Quelle: Deutsches Jugendinstitut
Auszug: Der Bericht beschreibt hohen kindliche Belastungen in der Gesamtgruppe der Beratungsklienten. 40 Prozent aller im Projekt Befragten hätten Verhaltensprobleme ihrer Kinder mit klinischer Relevanz beschrieben. Hochkonflikthafte Eltern sind offensichtlich deutlich in der Fähigkeit eingeschränkt, ihre Kinder und die Grenzen der Belastung ihrer Kinder angemessen wahrzunehmen. Die Autoren beschreiben einen Zusammengang zwischen zunehmendem Konfliktniveau und der Parentifizierung von Kindern durch ihre im Beziehungsstreit versinkenden Eltern. Kinder werden parentifiziert, indem sie in den Elternkonflikt einbezogen werden.
Parentifizierung in der Nomenklatur auch als emotionaler Missbrauch
Jedes Kind will von seinem Naturell her beide Eltern lieben und ihre Gesellschaft haben. Wird ein Kind in einer destruktiven Parentifizierung dafür instrumentalisiert, die Bedürfnisse (auch: die Rachegelüste und den Schlachtplan eines Elternteils) der Eltern zu bedienen, ist es bereits in einem massiven Loyalitätskonflikt, der sich zu einem schweren Double Bind auswachsen kann.
Es ist kein Wunder, dass dieser unauflösliche Konflikt des Kindes zu schwerwiegenden Langzeitfolgen führen kann. Welcher Anforderung das Kind auch zu entsprechen versucht – es liegt automatisch immer zu 50 Prozent falsch: entweder Mutter oder Vater.
Zu den Folgen der Beauftragung (Rollenzuschreibung) zählt eine Parentifizierungsdynamik, in der das Kind seine natürlichen Bedürfnisse (Kind zu sein) nicht mehr spürt. Es ist kein Raum mehr für das Spiel, weil der Ernst das Leben bestimmt.
Statt Freunde zu treffen und ins Schwimmbad zu gehen, übernehmen parentifizierte Kinder Erwachsenenmuster. Sie fallen durch ein überbetont ernstes Auftreten auf und entwickeln eine vordergründig hohe Kompetenz im Vermitteln von Informationen.
Doch bei allen äußerlich beachtlich wirkenden Mediator-Fähigkeiten sieht es in den Kindern düster aus. Sie leiden unter einer extremen Überlastung, schlafen schlecht und gewöhnen sich fatalerweise daran, dass das Leben freudlos und voller Gefahren ist. Auch Minderwertigkeitsgefühle treten auf, weil das Kind sich in seiner Überforderung ständig als Versager empfinden muss.
Die entscheidende Lebensaufgabe, die Eltern wieder zusammenzubringen, kann es nicht meistern.
Weiterführende Literatur: „Familienrechtspsychologie“, Dettenborn, H., & Walter, E. (2016)