Parentifizierung und verdeckte Schuldgefühle bei den Eltern

Der komplexe Prozess der Parentifizierung kann bei Eltern zu verdeckten Schuldgefühlen führen, die oft schwer zu erkennen und noch schwieriger zu bearbeiten sind.

Die Zerrissenheit der Eltern: Bewusstsein und Abhängigkeit

Viele Eltern, die ihre Kinder in die Rolle der Betreuer drängen, sind sich tief im Inneren bewusst, dass ihr Handeln nicht angemessen ist. Sie spüren eine innere Zerrissenheit, da sie einerseits wissen, dass ihr Verhalten unangemessen ist, andererseits aber meinen, nicht auf die Unterstützung ihrer Kinder verzichten zu können. Diese Abhängigkeit entsteht oft aus eigenen ungelösten emotionalen Bedürfnissen oder aus praktischen Zwängen.

Die Dynamik der Parentifizierung nach Boszormenyi-Nagy

In seinem Buch „Unsichtbare Bindungen“ beschreibt Ivan Boszormenyi-Nagy die Dynamik familiärer Beziehungen und die Rolle der Loyalität. Er betont, dass Parentifizierung oft aus einem unausgesprochenen familiären Vertrag resultiert, bei dem Kinder unbewusst eine Rolle übernehmen, die eigentlich den Eltern zusteht. Dies führt zu einer Verzerrung der Generationengrenzen und zu einer Belastung für das Kind.

Die Rolle der Schuld und Verantwortung

Boszormenyi-Nagy hebt hervor, dass in solchen Familienkonstellationen Schuldgefühle eine zentrale Rolle spielen. Eltern, die ihre Kinder parentifizieren, können von Schuldgefühlen geplagt werden, die sie jedoch oft nicht direkt wahrnehmen oder ausdrücken. Stattdessen können diese Schuldgefühle in Form von Überfürsorglichkeit, Vermeidung oder emotionaler Distanzierung zum Ausdruck kommen.

Was sind die langfristigen Auswirkungen der Schuldgefühle von Eltern auf die Familie?

Eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung mit allen nachgelagerten Problemen ist die Hauptauswirkung der Schuldgefühle von Eltern, die ihre Kinder in eine Elternrolle drängen. Kinder, die in solche Rollen gedrängt werden, können langfristige emotionale und psychologische Probleme entwickeln. Für Eltern kann das Festhalten an dieser Dynamik zu anhaltenden Schuldgefühlen und führen.

Wege zur Auflösung

Die Auflösung dieser Dynamik erfordert oft professionelle Hilfe. Speziell systemische therapeutische Interventionen können dabei helfen, die familiären Rollen womöglich zum ersten Mal angemessen zu definieren, Grenzen zu setzen und die Eltern dabei zu unterstützen, Verantwortung für ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu übernehmen.

Dies kann dazu beitragen, die Schuldgefühle zu mindern und eine gesündere Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu fördern.

Johannes Faupel
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