Parentifizierung im Kontext von Trennung oder Scheidung

Bei der Trennung eines Elternpaares kommt es in der Regel zu vielen Emotionen. Bei nicht volljährigen Kindern stellt sich die Frage, welchem Elternteil das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen wird. Bei einer einvernehmlichen und gütlichen Trennung können hier tragfähige Absprachen und Kontrakte gefunden werden. Anders sieht es bei hochstrittigen Konflikten aus.

Hohes Risiko der Parentifizierung bei Hochstrittigkeit

Im Konfliktmodell der Hochstrittigkeit (Uli Alberstötter, Frankfurt am Main) sind die zerstrittenen Ex-Partner ohne fremde Hilfe kaum noch in der Lage, auch nach dem Ende ihrer Beziehung das Kindeswohl ins Zentrum allen Handelns zu stellen.

Häufig kommt es zu Versuchen, das Kind oder die Kinder dafür zu instrumentalisieren, den Vater oder die Mutter in ein schlechtes Licht zu rücken und die „Schuld“ an der Trennung von sich abzuwehren.

Wie ist Parentifizierung im Kontext von Trennung oder Scheidung erkennbar?

Parentifizierte Kinder können während oder nach einer Trennung der Eltern verschiedene Verhaltensauffälligkeiten entwickeln.

Sozialer Rückzug und depressives Verhalten, da das Nest zerstört wurde

Überaktivität in der Rolle des verzweifelt arbeitenden Beziehungsretters: „Ich bringe Mama und Papa wieder zusammen.“

Kontaktabbruch zum Vater oder zur Mutter: weil die Elternperson lange genug abgewertet wurde oder weil der Schmerz zu groß wäre, sich mit dem Verlust und den wiederkehrenden Abschieden abzufinden

Einnahme einer Erwachsenenrolle: Kinder übernehmen Aufgaben, die normalerweise von den Eltern erledigt werden, etwa die Betreuung jüngerer Geschwister oder die Haushaltsführung

Ungewöhnliche Anzeichen von vermeintlicher Reife, hinter denen sich ein abruptes Ende von Kindheit bzw. Jugend verbergen kann: „Ich kann es mir nicht mehr leisten, abhängig zu sein.“

Welchen vorübergehenden oder dauerhaften Vorteil kann eine parentifizierende Person in einer Trennungssituation erzielen?

Ansprache durch das Kind

Ein parentifiziertes Kind kann einem Elternteil emotionale Unterstützung und Ansprache bieten. Dabei werden Kinder in der Regel überfordert.

Loyalität durch das Kind

Die Loyalität eines Kindes kann einer Mutter bzw. einem Vater das Gefühl geben, geliebt und unterstützt zu werden. Die Loyalität gegenüber einem Elternteil „verpflichtet“ das Kind jedoch zur Distanz zum anderen Elternteil. Ein vom Kind allen nicht aufzulösender Loyalitätskonflikt.

Parteinahme durch das Kind

Ein parentifiziertes Kind kann dazu verpflichtet werden, Partei für einen Elternteil und damit gegen den anderen zu ergreifen. Im Verlauf der Kindheit und Adoleszenz kann dies zu tiefen Schuldgefühlen führen.

Johannes Faupel
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