Was ist eine dysfunktionale Familie? Wie finden Sie Ihr Gleichgewicht?

Dysfunktionale Familie: das Kind im Konflikt zwischen den Eltern

Das Kind im Konflikt zwischen den Eltern: dysfunktionale Familie

Dysfunktionale Familien weisen Defizite in ihren Funktionen auf. Die Definition eines dysfunktionalen Familiensystems gelingt am einfachsten über die Beschreibung einer funktionalen Familie. Ich stelle sie hier jeweils in Gegenüberstellung der nicht richtig funktionierenden Familie vor. Dazu passend jeweils ein Hinweis darauf, wie Sie für sich sorgen können, wenn Sie in einer dysfunktionalen Familie leben. Das muss übrigens nicht unbedingt heißen, dass Sie noch zu Hause wohnen. Auch Fernbeziehungen von Familien können destruktiv und dysfunktional sein.

Unterscheidung Grenzen / Grenzenlosigkeit

Funktionale Familien achten persönliche Grenzen

Die Mitglieder funktionaler Familien achten auf die Privatsphäre sowohl der Kinder als auch der Erwachsenen. Dies geschieht auf allen Ebenen – Eltern respektieren einander und die Kinder. Kinder achten die Eltern und die Geschwister.

  • Keiner poltert einfach ins Zimmer.
  • Anklopfen ist eine Selbstverständlichkeit.
  • Anklopfen an der Türe und das Anklopfen beim Gegenüber, ob es zum Beispiel gerade passt, sich einen Moment für ein Thema Zeit zu nehmen.

In dysfunktionalen Familien gibt es (so gut wie) keine Grenzen

Mitglieder einer dysfunktionalen Familie (nicht immer alle, oft gibt es hier einen Elternteil oder ein Kind, das besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht) achten nicht die Grenzen der anderen.

  • Dysfunktional wirkende Familienmitglieder erwarten, dass ihnen in allem zugestimmt wird. Ein „Nein“ ist nicht angebracht.
  • Sie betreten das Zimmer oder das Bad ohne anzuklopfen.
  • Sie übertragen ihre eigene Grenzenlosigkeit auf die anderen Familienmitglieder. Da es ihnen selbst z. B. nichts ausmacht, intime Dinge für andere hörbar zu besprechen, platzen sie auch herein, wenn zwei sich unterhalten oder jemand am Telefon ist.
  • Alles gehört allem bzw. jedem gehört nichts

So setzen und schützen Sie in einem dysfunktionalen Familiensystem Grenzen

Abgrenzung beginnt mit einem gesunden Nein. Lernen Sie das Nein zu Grenzüberschreitungen und das Ja zu sich selbst als freundliche Kommunikationsform kennen.

Gewöhnen Sie sich an, grundsätzlich in Ich-Botschaften sprechen. Das kann dabei helfen, einen Streit zu vermeiden. Und es sorgt – systemisch betrachtet – für eine deutliche Unterschiedsbildung zum dysfunktionalen Familiensystem, in dem eine Dynamik ständig unerfüllter Erwartungen und mehr oder weniger offen kommunizierter Vorwürfe herrscht:

  • Nein, ich möchte nicht, dass du hier einfach hereinkommst. Ich habe ein Recht auf eine geschützte Atmosphäre. Auch hier in der elterlichen Wohnung.
  • Gehen Sie davon aus, dass jemand ihre Grenze nicht erkennen kann, weil sie bisher nicht sichtbar war.
    Vielleicht, weil Sie vieles zugelassen hatten, in der Angst, andere zu verletzen oder nicht mehr geliebt zu werden.
    Oft kann es hilfreich sein, von Sehnsucht zu sprechen:
  • „Ich träume davon, mir ganz sicher zu sein, dass ihr meine Grenzen von nun an achten und akzeptieren werdet. Es ist mein Wunsch, dass ich Grenzen nicht ziehen oder einfordern muss, sondern dass sie respektiert werden: weil sie nachvollziehbar sind.“

    Mit so einer Formulierung riskieren Sie es nicht, dass Sie sich ständig wehren oder auf etwas beharren müssen; es besteht eine gute Chance, dass andere Ihre Grenzen erkennen können. Vielleicht das erste Mal in Ihrem Leben.

  • Es ist entscheidend, dass Sie sich in liebervoller Weise sich selbst zuwenden und lernen, sich zu schützen.
    Viele Menschen schauen lange zu und lassen zu, wie sie ihre eigenen Anliegen vernachlässigen.
  • Je öfter es Ihnen – auch in den vermeintlich kleinen Angelegenheiten – gelingt, sich für sich einzusetzen, desto störker wird ihr gesundes Selbstbewusstsein sein

Unterscheidung Vorbilder / verantwortungslose Eltern

In funktionalen Familien können Eltern gute Vorbilder sein

Mütter, Väter und Eltern als Paare haben in funktionalen Familien Vorbildfunktionen. Ohne hier zu überidealisieren – denn niemand ist in allem gut, bleiben gewisse Eigenschaften der Eltern aus gesunden Familien in lebenslanger Erinnerung:

  • Wie sich die Mutter für die kranke Nachbarin einsetzt – aber auch auf ihre Erholung achtet, immer wieder mit einem Buch anzutreffen ist
  • Wie der Vater sich im Verein engagiert – das aber nur, nachdem er der Familie ausgiebig Zeit gewidmet hat
  • Wie die Eltern nach einer (würdevoll gestalteten) Auseinandersetzung mit Humor wieder in den Alltag fnden: und ihren Kindern sagen, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen, wenn sie zwischendurch verschiedener Meinung seien.

In dysfunktionalen Familien gibt es krasse Differenzen zwischen gefordertem und gelebtem Verhalten

Mitglieder dysfunktionaler Familien erleben starke Unterschiede in den verlangten Verhaltensweisen und dem, was die Erwachsenen vorleben:

  • In einem Alkoholikerhaushalt wird das Rauchen der Kinder unter Androhung strengster Strafen verboten
  • Während nach außen eine spießig-bigotte Haltung aufrechterhalten wird, geht ein Elternteil fremd
  • Ein Elternteil legt ein beschämendes Verhalten an den Tag, verlangt aber unbedingte Unterwerfung, verpackt als „Respekt“

So finden Sie in einem dysfunktionalen Familiensystem ein gutes Vorbild

Machen Sie sich klar, dass in Ihrer Familie offensichtlich etwas schiefläuft. Vergegenwärtigen Sie sich, dass Ihre Mutter / Ihr Vater gegen die eigenen Prinzipien verstößt, wenn sie / er sich so verhält. Versuchen Sie nicht, Ihre Eltern zu ändern. Das gelingt in toxischen Familiensystemen selten bis nie. Ändern Sie Ihren Bezug zum Familiensystem. Stellen Sie sich vor, wie Sie selbst zu Ihrem Vorbild werden. Das kann gelingen, wenn Sie noch in einer häuslichen Gemeinschaft mit der Familie leben. Es ist aber auch dann möglich, wenn Sie schon lange ausgezogen sind, aber immer noch nach einer gesunden Ordnung für sich suchen.

  • Gehen Sie jeden Tag zum Sport.
  • Laufen Sie 5 km, 10 km. Jeden Tag.
  • Oder suchen Sie sich eine andere regelmäßige, sinnstiftende und gesundheitsförderliche Aktivität.
  • Werden und bleiben Sie darin konsequent, egal, was andere sagen und tun.
  • Reden Sie mit niemand darüber. Nur mit sich selbst.

Sagen Sie zu sich, wenn Sie abends auf der Bettkante zufrieden feststellen: Heute war ich mir selbst wieder ein Vorbild. Und ein Ansporn, meinem Anspruch auch morgen treu zu sein. Motivieren Sie sich dazu, Ihr eigener bester Freund / Ihre beste Freundin zu werden und für immer zu bleiben.

Unterscheidung Werte / Beliebigkeit

Funktionale Familien vermitteln und leben Werte

Werte setzen Verantwortungsbewusstsein voraus. Werte müssen vorgelebt werden, damit sie übernommen werden können. In gesunden Familien ist das der Fall. Die Eltern haben Wertvorstellungen und leben dies den Kindern vor, ohne dabei zu moralisieren. Werte haben vor allem mit Selbstachtung zu tun. Eltern, die sich selbst und schätzen, füreinander einstehen und sich gegenseitig achten, vermitteln ihren Kindern einen zentralen Wert: die Achtung, die sich über Wertschätzung äußert.  kaum Werte vermitteln können-

Werte haben in dysfunktionalen Familien keinen Platz bzw. wechseln ständig

Dysfunktionale, chaotische Familiensysteme können kaum Werte vermitteln, weil sie ihre Haltung gegenüber anderen Menschen, gegenüber Weltanschauungen, Politik und Gesellschaft nie herausgebildet haben und daher anfällig sind für Einflüsse aller Art.

  • Kinder erfahren ein diffuses Alltagsbild, in dem heute dies und morgen jenes gilt – oder beides gleichzeitig, also zwei entgegengesetzte Werte (was zu einem Double-Bind führen kann)
  • Wie sie es auch anstellen, sie liegen oft falsch, weil es keine klaren, nachvollziehbaren Werte gibt, auf die sie sich berufen und beziehen könnten.

In einem dysfunktionalen Familiensystem Werte finden und behalten – so geht es

Werte sind nicht mit Moral zu verwechseln. Moral wird oft gerade da gepredigt, wo es keine wahren Werte gibt. Hinterfragen Sie daher alle Zeigefinger und Mahnungen, sich an Werte zu halten, die nicht die Ihren sind. Zum Erwachsenwerden zählt es, eigene Werte zu finden und zu leben.

Gibt es überhaupt eine allgemeingültige Wertevorstellung – unabhägig von Weltanschauung und Gesellschaftsordnung?

Ja, es gibt sie. Der Philosoph und DIchter Immanuel Kant hat den Kategorischen Imperativ geprägt. Dieser besagt sinngemäß, dass jeder Mensch sich so verhalten möge, dass sein Verhalten ein Gesetz für alle werden könnte. Sobald wir uns nicht sicher sind, ob unser Verhalten als Blaupause für andere gelten könnte, sollten wir noch einmal darüber nachdenken. Eigentlich eine einfache logische Gleichung.

Unterscheidung Eindeutigkeit / Beliebigkeit – Verwirrung

Funktionale Familien kommunizieren eindeutig und leiten dazu an

Menschen in funktionalen Familien sind in positiver Weise berechenbar. Das Kind weiß, woran man es ist, wenn es die Mama fragt: Wie geht es dir? Und die Mama sagt: gut.

  • Das Kind weiß und spürt, wann es der Mutter und dem Vater gut geht. Dafür hat es ein untrügliches Gefühl, das auch zum Überleben dient.
  • Wenn die Mutter mitteilt, dass sie mit dem Kind in 5 Minuten den Spielplatz verlassen wird, dann soll sich das Kind darauf verlassen können. In klar kommunizierenden Familien ist Vertrauen gegeben.
  • Eindeutige Eltern unterstützen die Kinder darin, ihre Gefühle wahrzunehmen

Dysfunktionale Familien sorgen für Verwirrung

Chaotische Familiensysteme bieten keinen Halt, weil sie in die Beliebigkeit abdriften. Es kann so sein, aber es kann auch anders sein, je nach Tagesform. Wenn dann auch noch Alkohol im Spiel ist, befindet sich alle Kommunikation im freien Fall.

So kommt es vor, dass z. B. eine niedergeschlagene Mutter, die nach ihrem Befinden gefragt wird, mit gut antworte. Da Kind aber hat längst erkannt, dass es der Mutter sichtbar schlecht geht. So fühlt sich das Kind getäuscht. Die Wahrnehmung auf nonverbaler Ebene steht im Widerspruch zum Gehörten.

So finden Sie, aus einem dysfunktionalen Familiensystem stammend oder in ihm lebend – zur Klarheit

Entscheiden Sie für sich, dass es einfach ist, eindeutig zu kommunizieren. Schmeckt mir heißt schmeckt mir. Ist mir zuviel heißt nicht passt schon, sondern: Das ist mir zuviel.

Dysfunktionale Familien sind ein schwieriges Thema. Deshalb etwas Leichtigkeit:

Kaum etwas wirkt stärker als ein Gefühl, das unterdrückt wird

Loriot hat eine Szene geschaffen, in der bei einer Weinprobe (Vertreterbesuch) ein Wein zum Probieren gereicht wird. Nachdem die Hausfrau Hoppenstedt versucht hat, fragt der Weinvertreter: „Was spüren Sie auf der Zunge?“ „So ein pelziges Gefühl.“ „Falsch!“ korrigiert der Vertreter und liest ihr pflichtschuldig vor, was in der Beschreibung des Weinhändlers geschrieben steht: „Die Oberföhrunger Vogelspinne ist blumig und überrascht durch ihre fruchtige Frische.“ Hier geht es direkt zu der Filmszene, in der Loriot aka Herr Blümel den Geschmacksinn der Kundin in Frage stellt.

Meine Einladung an Sie: Gehen Sie mit frischem Mut an die Sache. Beginnen Sie damit, sich adäquat für Ihre Belange einzusetzen. Gehen Sie die Einladungen auf dieser Seite immer wieder durch. Notieren Sie sich erste Veränderungen – besonders die ganz kleinen. Kleine Veränderungen verdienen größten Respekt und Hochachtung. Die kleinen Veränderungen sind es, die große Entwicklungen ermöglichen.

Apropos kleine Veränderungen – das Buch Gedankenwohnung ist schnell zu lesen und zu verinnerlichen. . Seit dem Jahr 2013 haben schon viele Menschen davon profitiert.

Links zu weiterführenden Informationen auf parentifizierung.de – lesen Sie sich ein.

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Johannes Faupel
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